Am 3. Dezember 2024 hielt der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, einen beeindruckenden Vortrag an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT). Vor rund 250 Zuhörerinnen und Zuhörern sprach er über die dramatischen Ereignisse im Nahen Osten seit dem 7. Oktober 2023, die Rolle Jerusalems und die Verantwortung der Christen, Brücken der Versöhnung zu bauen.
„Seit dem 7. Oktober hat sich alles verändert“, begann Kardinal Pizzaballa. „Dieser Tag ist ein Wendepunkt.“ Er schilderte eindringlich die tiefen Wunden, die die Ereignisse bei Israelis und Palästinensern hinterlassen haben. Während manche Israelis die Angriffe als „eine Art kleine Shoah“ wahrnehmen, empfinden wiederum Teile der Palästinenser die Reaktionen darauf als „eine erneute Nakba“. „Der Hass, die Verachtung und das Misstrauen sind enorm“, so der Patriarch.
Doch inmitten dieser Spaltung mahnte er die Christen zu einer versöhnenden Rolle. „Wir als Christen müssen Zeugen der Hoffnung sein und Brücken bauen, wo Mauern entstehen“, erklärte Pizzaballa. Dabei sei es entscheidend, sich nicht nur auf einen interreligiösen Dialog unter Eliten zu beschränken, sondern die Basis der Gesellschaft zu erreichen: „Wir müssen von den Gemeinschaften selbst ausgehen, um eine echte Kultur des Miteinanders zu schaffen.“
Jerusalem, so betonte der Patriarch, spiele dabei eine zentrale Rolle. „Jerusalem ist nicht nur ein Ort, sondern ein Symbol – ein Herzstück des Glaubens und ein Paradigma für das Zusammenleben“, sagte er. Für Juden, Christen und Muslime sei die Stadt nicht nur ein geographischer Raum, sondern ein spirituelles Zuhause. „Jerusalem ist eine Stadt, die alle Nationen willkommen heißen muss. Ihre Tore dürfen niemals geschlossen sein.“ Er erinnerte daran, dass die besonderen Eigenschaften Jerusalems – Offenheit, Dialog und Spiritualität – eine Schlüsselrolle für Frieden und Gerechtigkeit in der gesamten Region spielen könnten.
Pizzaballa unterstrich, dass die Versöhnung in Jerusalem beginnen müsse, um von dort aus Strahlkraft für die Welt zu entwickeln: „Wenn wir in Jerusalem keine Wege des Friedens finden, wo sonst könnte es gelingen?“ Gleichzeitig rief er dazu auf, nicht in der Klage über Konflikte und Ungerechtigkeiten zu verharren: „Wir dürfen uns nicht mit der Vergangenheit aufhalten, sondern müssen nach vorne schauen. Wir brauchen Worte und Taten, die nicht nur Infrastruktur aufbauen, sondern auch Beziehungen heilen.“
Mit seinem Appell hinterließ der Patriarch einen bleibenden Eindruck bei den Zuhörern, die im Anschluss zahlreiche persönliche Frage stellen konnten und mit ihm in den Austausch traten. Sein Vortrag verdeutlichte, dass Jerusalem nicht nur eine Stadt ist, sondern ein Ort der Hoffnung und ein Vorbild für Versöhnung, ein Ort, an dem ein neuer Weg für Frieden und Zusammenleben beginnen kann – aber nur, wenn alle Beteiligten bereit sind, über Spaltungen hinauszudenken.
„Wir müssen in der Lage sein, die Geschichte neu zu lesen. Nur dann kann es Frieden geben!“