Im Rahmen der Quodlibet-Reihe der KHKT sprach Prof. Dr. Karl-Heinz Menke aus Bonn in seinem Vortrag „Kann Kontingentes unbedingt wahr sein? Warum das Christentum in seiner tiefsten Krise steckt“ über eine Frage, die viele Menschen heute umtreibt: Kann ein einzelner, zeitlich und räumlich begrenzter Mensch – Jesus von Nazareth – für alle Menschen und zu allen Zeiten als „das Ganze von Sinn, als die Wahrheit an sich, als die Idee aller Ideen“, als Offenbarung des Göttlichen gelten? Menke sieht genau in diesem Punkt den Kern der gegenwärtigen Krise des Christentums. Viele Menschen, so seine Beobachtung, halten es nicht mehr für glaubwürdig, dass sich Gott in indem konkreten Menschen geoffenbart hat. Stattdessen wird Jesus oft nur noch als bedeutende historische Figur oder moralisches Vorbild verstanden – aber nicht mehr als wahrer Mensch und wahrer Gott.
Ausgangspunkt seines Vortrags war ein persönliches Erlebnis. Ein früherer Student, heute Architekt, berichtete ihm nach einer Reise durch Frankreich und dem Besuch beeindruckender Kathedralen: „Die christliche Hardware verdient Bewunderung. Aber es gibt ja auch die Software.“ Auf die Frage, was er damit meine, antwortete er: „Sie wissen doch, was ich nicht mehr glauben kann. Ein Mensch kann nicht Gott sein. Eine Leiche nicht auferstehen.“
Diese Zweifel – so Menke – seien heute weit verbreitet. Und sie beruhen weniger auf aktuellen Skandalen oder kirchlichen Enttäuschungen meint der Professor, sondern auf einem grundlegenden Misstrauen gegenüber dem Herzstück des christlichen Glaubens: dass Gott Mensch geworden ist.
Menke zeigte auf, dass diese Fragen eine lange Geschichte haben. Schon Philosophen wie Kant oder später der Theologe Rudolf Bultmann fragten: Kann ein einzelner Mensch wirklich Gott sein? Oder ist Jesus eher ein Vorbild – ein guter Mensch, der uns zur Vernunft und zur Liebe anleiten will?
Menke stellt sich klar gegen diese Sicht. Für ihn ist gerade die Konkretheit entscheidend: „Gott ist Liebe – und Liebe [...] ist immer konkret oder gar nicht.“ Wer lieben will, muss sich zeigen, muss ansprechbar sein – und das sei in Jesus Christus geschehen. Denn „Liebe ist immer Beziehung, mindestens zwischen Zweien“. Für den Dogmatiker ist das Kreuz das radikalste Zeichen dafür, dass Gott den Menschen in seiner tiefsten Not begegnet – und nicht von oben herab eingreift, sondern sich selbst dem Leidaussetzt.
Menkes Fazit: Für das Christentum ist entscheidend, dass Gott nicht nur gedacht oder erahnt werden kann, sondern dass er sich in der Person Jesu von Nazareth tatsächlich gezeigt hat – in der Geschichte, zum Anfassen, hörbar und sichtbar. Wenn dieser Glaube verloren geht, bleibt aus seiner Sicht nur noch ein christlich gefärbter Humanismus (also Jesus als moralisches Vorbild), aber keine echte Gottesbegegnung.
„Das Christentum [...] steht und fällt mit dem Bekenntnis zur Einzigkeit und Heilsbedeutung Jesu Christi.“